Für Aussenstehende, die diese Situation selber noch nie durchlebt haben, ist es oftmals nur schwer nachvollziehbar was in einer gekündigten Person vor sich geht. Insbesondere wenn die Kündigung unverhofft eintrifft und ad hoc keine validen Optionen ersichtlich sind, kann es Betroffene völlig aus der Bahn werfen. Je nach Typus Mensch, psychischem Standing, persönlichen Gegebenheiten (bsp. Familie, Freundeskreis, finanziellen Verpflichtungen etc.) ist eine Kündigung leichter oder schwerer zu ertragen.
Veränderungsprozess nach der Kündigung
Der Veränderungsprozess nach der Kündigung kann in verschiedene Phasen unterteilt werden. Es handelt sich dabei um ein hypothetisches Szenario, dem nicht zwangsläufig alle Personen unterworfen sein müssen. Jedes Individuum erlebt eine Kündigung auf seine eigene Art und Weise. Während Optimisten die neue Ausgangslage eher als Chance sehen, nehmen sie Pessimisten eher als Risiko wahr.
1. Phase der Vorahnung
Betroffene fühlen womöglich intuitiv schon, dass sich eine Veränderung abzeichnet, obgleich es noch keinen spruchreifen Entscheid gibt. Die Gerüchteküche ist am Brodeln und allmählich macht sich Unruhe breit im Team. Namentlich bei offenkundigen Krisensituationen ist es Arbeitgeberseitig wichtig den sozialen Verpflichtungen nachzukommen und gewisse Spielregeln einzuhalten. Dies beinhaltet etwa eine konstruktive Atmosphäre zu schaffen.
2. Phase des Schocks und Verwirrung
Mit der offiziellen Verlautbarung werden unumkehrbare Fakten geschaffen und die Karten neu gemischt. “Der blaue Brief“ detoniert wie eine Bombe und ist auf einen Schlag präsent. Da die insgeheimen Befürchtungen nun definitiv eingetroffen sind zeigen sich erste Lähmungserscheinungen, sodass sich niemand auf Zukunftsvisionen einlassen möchte. In dieser Phase ist speziell seitens Personalern, Arbeitskollegium und persönlichem Umfeld ein offenes Ohr und Einfühlungsvermögen gefragt, zumal sich der Betroffene neu sortieren muss.
3. Phase der Ablehnung und des Festhaltens
Abwehrmechanismen in Schrecksituationen gehören zum Selbstschutz. Die meisten Menschen wehren sich händeringend gegen alles Neue, wobei die Ausprägungen ganz unterschiedlich sind. So gibt es bsp. Mitarbeiter, die die Kündigung bewusst negieren. Nicht selten resultiert sogar ein Produktivitätsanstieg, um dem Chef zu beweisen, dass seine Entscheidung die falsche war und diese noch bitter bereuen wird. Andererseits gibt es Betroffene die von einem trügerischen Sicherheitsgefühl heimgesucht werden, welches in einer masslosen Selbstüberschätzung mündet. In den seltensten Fällen werden derlei Attitüden zielführend sein. Viel eher ist Desillusionierung gefragt, wenn die Trennung unausweichlich ist.
Zugegebenermassen ist dies manchmal einfacher gesagt als getan, denn der Mensch hat eine regelrechte Verlust-Aversion. Die Motivation zur Schmerzvermeidung ist naturell bedingt stärker, als jene zur Erlangung von Freude. Eine weitere psychologische Komponente, die in die Quere kommt ist das Konsistenzprinzip. Dieses stellt eine grundlegende Antriebsfeder menschlichen Verhaltens dar und besagt, dass Ungewissheit verringert werden soll, indem auf einmal getroffenen Entscheidungen aufgebaut wird. Daher gilt es sich hier vorsätzlich kontraintuitiv zu verhalten.
4. Phase der rationalen Einsicht
In dieser Phase hält die Rationalität Einzug. Die Deckung geht runter, da sich die Abwehrstrategie als erfolglos erwiesen hat. Langsam leuchtet dem Gekündigten ein, dass es in naher Zukunft einen Wandel geben wird. Es ist allerdings eher eine nüchterne Auseinandersetzung in der leisen Hoffnung, dass die Situation bald vorbei ist. Die tiefgreifende emotionale Verarbeitung folgt erst später. Der Problemlösungsansatz ist daher vornehmlich getrieben von dem Wunsch, sich zeitnahe aus der Sackgasse hinaus zu manövrieren. Oftmals ist hier noch eine Kündigungsfrist am Laufen. Das frustrierende daran ist, dass dann noch 1-3 Monate abzusitzen sind mit dem schrägen Gedanken bald nicht mehr gebraucht zu werden. Anstatt klarsichtig den Veränderungsprozess zu initiieren und sich mittels einer offenen Haltung in einen fördernden Modus zu bringen flüchten sich viele Betroffene wiederholt in unbedeutende Aktivitäten.
5. Phase der emotionalen Akzeptanz und des Loslassens
Unweigerlich überkommt Betroffene das Gefühl das Handlungsrepertoire ausgeschöpft zu haben. Der Verlust einer geliebten Tätigkeit verursacht Schmerzen, da man sich irrelevant und obsolet fühlt. Scham, Schmach und Trauer drücken einen auf einen emotionalen Tiefpunkt. Diese Schwellenemotion sollte jedoch niemals im Keim erstickt werden. Im Gegenteil: Lassen Sie den seelischen Regungen den nötigen Raum und horchen Sie in sich hinein. Ihr Geist wird es Ihnen mit neuer Energie danken. Das "Tal der Tränen" wird in dem Moment durchschritten, wenn man bereit ist eine Gegebenheit emotional zu akzeptieren. Vernunft und das Vertrauen in die Zukunft sind der Schlüssel, um sich von angestammte Gewohnheiten loszusagen. An dieser Stelle machen unter Umständen Laufbahnberatungen Sinn, welche Betroffene in Einzelgespräche involvieren und in deren Ambitionen nach vorne hin unterstützen.
6. Phase des Ausprobierens und Neugier
Da es kein Klammern an die Vergangenheit mehr gibt wird der Weg peu à peu frei für eine Neuausrichtung: Das Mindset wird offener, Neugier erwacht, Möglichkeiten werden ausgelotet, Erfahrungshorizonte erweitert, die Zukunft ausgemalt, Träume poppen auf. Während neue Verhaltensweisen kultiviert werden, die Lernkurve steigt und erste Erfolge gefeiert werden, kann es aber immer noch gelegentlich zu Rückschlägen kommen. Da die “tempi passati“ allerdings viel reflektierter wahrgenommen werden, verfügen sie in der Retroperspektive über einen hohen Informationsgehalt und werden als Zugewinn von Erfahrungen gedeutet. Hier ist vor allen Dingen ein langer Atem gefragt.
7. Phase der Erkenntnis und Integration
Durch die laufend neuen Perspektiven, welche sich ergeben, befinden sich die Denkmuster und der Handlungsspielraum in einer positiven Aufwärtsspirale. Die Erkenntnisfähigkeit ist so gepolt, dass erfolgreiche Verhaltensweisen dupliziert werden, wodurch die Selbstwirksamkeit steigt. Die Leistungsfähigkeit und die Motivation sind sehr hoch. Personen in diesem Stadium merkt man rein äusserlich die unangenehme Zwangslage kaum an. Die gesellschaftlichen Konventionen scheinen förmlich an Ihnen abzuprallen. Teils sind sie sogar selbstbewusster als ungekündigte Arbeiter, weil Sie die Situation genauso akzeptieren wie sie ist. Potenziellen Arbeitgebern gegenüber treten Sie gefasst und selbstsicher auf, was sich auch in erfolgreichen Bewerbungen und Vorstellungsgesprächen niederschlägt.
Empowerment
Empowerment ist ein Buzzword der Persönlichkeitsentwicklung. Es bedeutet zu Deutsch so viel wie Selbstbemächtigung und stellt eine ressourcenorientierte Intervention dar. Sie bezieht sich sowohl auf den Prozess der Emanzipation bzw. Selbstkompetenz (Hilfe zur Selbsthilfe) als auch auf externe Unterstützung der Menschen um ihre gesellschaftspolitische Ohnmacht zu überwinden und Gestaltungspielräume zurück zu erlangen bzw. sich derer bewusst zu werden. Einerseits ist es also Zustandsveränderung in Form von Selbstbefähigung, Wiedererlangung von Eigenmacht und Selbstbestimmung. Anderseits werden in der psychosozialen Praxis aber auch Menschen zur Entdeckung der eigenen Stärke ermutigt und ihnen bei der Erlangung von Lebensautonomie und Selbstbestimmung geholfen. Voraussetzung dafür sind eine Vertrauenskultur, offene Kommunikation und Verantwortungsbewusstsein.
Comments