Ein Vorstellungsgespräch ist eigentlich nichts wovor man sich zu fürchten bräuchte. Sofern das Reden nicht zu den Kernaufgaben des Jobs gehört erwartet niemand, dass Sie „frei Schnauze“ eine Stegreifrede halten können. Dennoch reihen sich Jobinterviews wie öffentliche Reden zu jenen Situationen ein, die mitunter starke Nervosität, Lampenfieber und Angst auslösen können. Dabei sind Ängste etwas sehr diffuses und äusserst individuell: Dem einen graut es den Faden zu verlieren oder zu stottern, der andere macht sich über sein schlechtes Namensgedächtnis verückt, wiederum andere haben Bammel sich ungeschickt anzustellen oder tollpatschig zu sein. Ihnen allen gemein ist die latente Sorge um das Eintreffen besagter Ereignisse bzw. dessen Schiefgehen.
Was ist Angst überhaupt?
Zunächst gilt es mal zwischen Angst und Gefahr zu unterscheiden: Während Gefahr etwas sehr Reales ist, handelt es sich bei Angst lediglich um eine leise Aufforderung unseres „internen Frühwarnsystems“ auf potenziell Gefahren hin. Ein Angstgefühl steigt in der Regel dann empor, wenn Sie sich in Situationen wiederfinden, denen Sie sich (noch) nicht gewachsen fühlen.
Die beschleichende Nervosität zeigt Ihnen, dass Sie womöglich bedroht werden und sich dagegen wappnen müssen. Sie sollten sich aber keinesfalls ins Bockshorn jagen lassen, denn Angst hat viel mehr mit Ihnen selbst zu tun, als mit den Gegebenheiten. Jede Situation ist neutral, solange nichts passiert!
Woher kommt die Angst vor dem Vorstellungsgespräch?
Wenn man die häufigsten Ängste des Menschen unter die Lupe nimmt, sind die Hauptverdächtigen in Bezug auf Vorstellungsgespräche schnell ausgemacht. Es ist vor allem die Furcht vor öffentlichen Reden. Vor allem bei Leuten, die allgemein nicht so gern im Mittelpunkt stehen, ist dies oft die Triebfeder. Daneben kann auch monetärer Druck eine mögliche Angstquelle sein. Namentlich Leute die nicht auf Rosen gebettet sind, familiäre Verpflichtungen haben und vielleicht kurz vor der Aussteuerung stehen plagen des Öfteren Existenzängste. Ein anderer Angstauslöser ist Einsamkeit. Für viele bedeutet Arbeit auch sozialer Halt.
Angriff, Flucht oder Erstarrung
Aus evolutionärer Sicht sind Ängste und die damit einhergehenden Stressreaktionen eine geniale Erfindung. Ohne sie wäre der Mensch nicht überlebensfähig bzw. würde ständig ungebremst in Gefahrensituationen laufen. Derlei Warnsignale rütteln uns wach, wenn etwas aus dem Gefüge zu geraten droht und verleihen unserem Wesen eine situative Anpassungsfähigkeit. Durch den Umstand, dass irrelevante, energiezehrende, körperliche Prozesse augenblicklich unterdrückt werden, werden viele Ressourcen frei. Die gebündelte Aufmerksamkeit erlaubt es uns dann adäquat zu reagieren, was je nach persönlicher Risikoeinschätzung Angriff, Flucht oder Erstarrung bedeuten kann.
Erstarrung: Reaktion auf akute Situationen entziehen sich der bewussten Kontrolle
Ob Sie auf Angstmomente allenfalls geschockt, erstarrt oder versteinert reagieren entzieht sich der bewussten Kontrolle. Je nach Geschlecht, Konstitution, Selbstbewusstsein, psychischem Standing, Erfahrungen, hierarchischen Verhältnissen und anderen Einflussfaktoren reagiert Ihr Organismus instinktiv. Bei einem Schock bsp. ist Ihr Gehirn nicht in der Lage ad hoc alle Eindrücke zu verarbeiten. Erstarrung und Versteinerung bsp. waren in der freien Wildbahn Tarnmethoden, wenn ein Kampf aussichtslos oder eine Flucht nicht mehr drin lag. Wenn Ihnen sowas wiederfährt sollten Sie nichts anbrennen lassen, denn schlechte Erlebnisse prägen. Unverarbeitete Traumas dürfen sich keinesfalls festsetzen, ansonsten daraus Angststörungen, Panikattacken, soziale Phobien etc. erwachsen können.
Flucht: Verdrängte Angst führt in die Sackgasse
Wenn Sie sich von der Angst limitieren lassen, werden Sie über kurz oder lang unweigerlich feststellen, dass so ein Verhalten in die Sackgasse führt. Angstgeleitetes Meidungsverhalten ist wie eine Fremdherrschaft und ergreift immer mehr Besitz über Sie. Gleichwohl fällen viele Menschen Entscheidungen basierend auf Angst oder verdrängen sie, weil sich diese Automatismen so eingependelt haben. Sie kommen dem auf die Schliche, wenn Sie mal gründlicher über Ihre Motive nachdenken, welche Sie zu bestimmten Entschlüssen geführt haben. Mit einem Fluchtverhalten ist höchstens die Situation gebannt, denn die Angst selber ist ja noch da. Dadurch werden Sie früher oder später in Form von Hassgefühlen, Depressionen, Antriebslosigkeit wieder von der Angst eingeholt. Es gibt genau zwei Varianten: Entweder sie stellen sich dem Leben, oder das Leben stellt Sie!
Angriff: Konstruktive Gedankenmuster
Aufpoppende Angstimpulse können auch als kompetitive Challenge begriffen werden. Da wo uns das Schicksal am stärksten herausfordert stecken nämlich oft die grössten Chancen mit dem meisten Entwicklungspotenzial. Manchmal muss man kontraintuitiv einen Schritt wagen, um dann zu entdecken, dass viele Befürchtungen völlig unbegründet waren. Was einem dazu bewusst sein muss, ist, dass es bei der Angstüberwindung kein Versagen gibt. Primär zählt der Versuch und nicht das Resultat, denn Sie können nur das Wagnis und ihren Einsatz beeinflussen. Wenn Sie kalkulierbare Risiken eingehen und „Skin in the game“ zeigen gehören Sie bereits zu den Gewinnern, alles andere steht nicht in Ihrer Macht. Aus dem mutigen Durchschreiten der Angst resultiert für gewöhnlich eine erweiterte Komfortzone. Bei Überwindung von Traumas, sozialen Phobien, Panikattacken und Angststörungen kann sogar posttraumatisches Wachstum entstehen.
Das Positive an Angst
Neurologische Studien haben gezeigt, dass das Gehirn im Angstmodus in eine Art Notfallprogramm fällt. In diesem Geisteszustand werden alle Kapazitäten angezapft und darauf fokussiert das Überleben zu sichern. Weil das Adrenalin konzentrationsfördernd wirkt kann Gelerntes viel leichter abgerufen werden. Wobei die besten Leistungen unter einem mittleren Nervositätsgrad erzielt werden. Das deckt sich auch mit Erkenntnissen der Filmindustrie. Nicht wenige Schauspieler berichten davon, dass ihnen ausgerechnet in jenen Szenen, wo sie auffallend wenig oder gar kein Lampenfieber verspürten, am meisten Texthänger unterlaufen. Oder umgemünzt auf den Bewerbungskontext: Stellen Sie sich mal vor wie es sich anfühlen würde, wenn Sie vor dem Vorstellungsgespräch gar keinen Bammel hätten. Das würde fast schon komisch wirken. Vorausgesetzt die Angst wirkt sich nicht lähmend aus, ist es gar nicht erstrebenswert sie besiegen zu wollen.
Vor dem Vorstellungsgespräch
Die richtige Vorbereitung
Eine gute Vorbereitung ist beim “Angsthandling“ die halbe Miete. Schlafen Sie genug, ernähren Sie sich mit leichter Kost, sorgen Sie für Stressabbau mittels Bewegungs- sowie Entspannungsübungen und vor allen Dingen proben Sie das Vorstellungsgespräch aufs Exempel. Üben Sie mit Freunden oder Familie und lassen Sie sich an die Kandare nehmen. Zweifelsohne wird jedes Jobinterview anders verlaufen, jedoch gibt es klassische Fragen die in der einen oder anderen Form immer wieder vorkommen. Legen Sie sich Antworten zurecht und feilen Sie an Ihrer Schlagfertigkeit. Je mehr Routinen Sie in petto haben, desto weniger kann man Sie aus der Fassung bringen.
Durch die Angst hindurch: Von 100 auf 0
Angst ist schon seit jeher ein schlechter Ratgeber. Genau genommen ist sie im Vorspann eines Ereignisses sowieso nur eine Illusion. Solange Sie nicht in der Situation drin sind, können Sie weder ein Blackout haben, noch sich vor lauter Nervosität um Kopf und Kragen reden. Trotzdem ist erstaunlicherweise meist vor dem Vorstellungsgespräch auf einer Skala von 1-100 die Angst bei 100, wohingegen sie am “Point of no return“ auf 0 absackt. Tja, manchmal muss man im Leben genau dorthin, wo es vermeintlich wehtun könnte!
Die Angst relativieren mit dem richtigen Mindset
Haben Sie sich schon mal die Frage gestellt: Was wäre, wenn das Gegenüber im Vorstellungsgespräch genauso nervös ist? Zugegebenermassen ein etwas bizarrer Gedanke, aber wer weiss, vielleicht sitzt dort ein blutjunger HR-Neuling. Alles ist möglich. Sicherlich aber sind Sie mit Ihrer Angst im Bewerbungsprozess nicht alleine. Zumindest Ihre Mitbewerber hocken im selben Boot. Angst ist etwas völlig Normales und einer der effektivsten Tricks, um sie in Schach zu halten, ist es sie zu akzeptieren.
Die Angst wegrationalisieren
Da man unter Angst nicht rational handeln kann, ist es umso wichtiger Wissen darüber zu akkumulieren und sie damit zu entmachten. So ist es etwa “nice-to-know“, dass ihr Kopf mit zwei unabhängigen Systemen ausgestattet ist. Das eine ist die emotionale Seite die neben Schmerz und Freude unter anderem auch Angst empfindet. Das andere ist die rationale, analytische Seite. Worauf wir hinaus wollen ist folgendes: Im Stadium deplatzierter Angst befinden Sie sich sehr tief im emotionalen Teil, was die Wahrnehmung verzerren kann. Um etwas Objektivität zurück zu gewinnen kann es deshalb ab und an Sinn machen in die Adlerperspektive zu gehen. Nicht überall wo Angst drauf steht ist auch Gefahr drin!
Die innere Stimme beschwichtigen
Glauben Sie nicht alles, was Ihnen die innere Stimme vorgaukelt. Sie kann ein ziemlich fieser Wicht sein und einem die destruktivsten Gedanken überhaupt einflössen. Überprüfen Sie deshalb Ihre Überlegungen hin und wieder auf ihren Wahrheitsgehalt und die Wahrscheinlichkeit hin. Seien Sie sich jedoch bewusst, dass mit dem Auseinandersetzen der Ängste die “Probleme“ zunächst an Fahrt aufnehmen, weswegen man nie zu lange in diesem Modus verweilen sollte.
Eine typische Eingebung von chronischen Pessimisten und Schwarzmalern könnte bsp. „das ist ein Himmelfahrtskommando, ich werde sicher wieder scheitern“ sein. Hier hilft es eine neutrale Haltung einzunehmen. Auch das Ermitteln des Worst Case kann nützlich sein. Meistens kommt zum Vorschein, dass ein negativer Ausgang nicht den Weltuntergang bedeutet.
Eine andere sabotierende Intention ist die fälschliche Annahme, dass bestimmte Emotionen unwillkürlich mit gewissen Ergebnissen einhergehen. Bsp. „Ich bin aufgeregt und verliere daher leicht den Faden“. Das kann passieren, muss aber nicht notwendigerweise! Damit der Gedanke nicht zur selbsterfüllenden Prophezeiung wird, ersetzen Sie ihn durch konstruktive Leitsätze.
Ein weiteres Unding sind Pauschalisierungen wie bsp. „Chefs waren noch nie gut zu sprechen auf mich“. Das ist Hirnwixerei. Seien wir mal ehrlich: Die wenigsten Menschen wollen einem etwas Schlechtes. Es gibt keinen Grund von vornherein die Schutzschilde hochzufahren. Vielmehr empfiehlt es sich unbefangen und mit offener Neugier an Unbekannte heranzutreten.
Am Tag des Vorstellungsgespräches
Während es im Vorfeld noch aufschlussreich sein kann, die Angst zu ergründen, sollte am Tag des Vorstellungsgespräches keinerlei Aufmerksamkeit mehr darauf gerichtet werden. Es gibt andere probate Mittel der Angst entgegen zu wirken, wenn sie Überhand zu nehmen droht.
Gehirn austricksen
Lassen Sie die angsteinflössenden Gedanken einfach vorbeiziehen oder tricksen Sie Ihr Gehirn aus, indem Sie sich bsp. dem stumpfsinnigen Farbenspiel widmen. Nehmen Sie dazu bsp. die Farbe Gelb und checken Sie alles in Ihrer Umgebung auf Gelb ab.
Selbstbeeinflussung durch Körpersprache
Körpersprache und Wahrnehmung beeinflussen sich wechselseitig. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass durch die bewusste Einnahme von positiver Mimik und Gestik auch die Gemütslage gehoben oder gesenkt werden kann. Machen Sie den Selbstversuch: Strecken Sie die offenen Hände in die Luft und sagen laut „mir geht es beschissen“, dann wissen Sie was gemeint ist!
Vermeiden Sie es tunlichst sich mit Ticks wie bsp. Fusswippen oder Fingernägelkauen selber nervös zu machen. Bringen Sie sich stattdessen besser mit einer stabilen Körperhaltung und einem Lächeln in einen guten “Mood“. Das klingt zunächst vielleicht absurd, da Ihnen erstens gar nicht zum Lachen zu Mute ist und Sie zweitens vermutlich über eine Grimasse hinaus kein echtes Lächeln zu Stande bringen. Doch das ist egal. Auch ein gequältes Lächeln führt dazu, dass die Mundwinkel angehoben werden, was seinerseits stressmindernde neuro-physiologische Prozesse in Gang setzt. In Krisenfällen reichen schon weniger als 60 Sekunden, um den Nebel zu lichten und alles etwas hoffnungsvoller zu sehen. Probieren Sie es aus!
Konditionierter Gedankenstopp durch Ankertechnik
Aus der Verhaltenspsychologie ist bekannt, dass alles was oft getan, gedacht, beredet und gehört wird, neurologische Bahnen im Gehirn anlegt. Metaphorisch gesprochen können Sie sich diese als Trampelpfade vorstellen die mit der Zeit zu breit angelegten Autobahnen verkommen. Die Akklimatisation an die Angst und die mögliche Adaption von Vermeidungsstrategien laufen nach dem identischen Muster ab. Ein Entkommen aus der Abwärtsspirale ermöglicht bsp. die Technik des Gedankenstopps durch einen Anker. Dabei konditionieren Sie sich an sogenannten Ankerpunkten und schafft Assoziationen zu positiven Dingen. Immer wenn Angstbilder aufflackern zwicken Sie sich bsp. in der Ellenbeuge und setzen einen Reiz. Vielleicht haben Sie in punkto Konditionierung und Ankern auch schon mal von Neuro-linguistischer-Programmierung (NLP) oder dem empirischen Experiment des pawlowschen Hundes gehört. Beide hauen in dieselbe Kerbe!
Atemübung
Viele Menschen neigen bei Stress und innerlicher Anspannung zu einer eher flachen Brustatmung. Dem kann etwa mit einer bedachten Atmung in den Bauch entgegenwirkt werden.Eine bekannte Praktik ist die 4-6-8-Methode. Hierzu stellt oder setzt man sich aufrecht hin mit geraden Schultern. Nun atmet man, während gedanklich bis 4 gezählt wird, tief in die Bauchregion, ohne dass sich der Brustkorb hebt. Anschliessend hält man, während gedanklich bis 6 gezählt wird, die Luft an. Bevor man schliesslich, während gedanklich bis 8 gezählt wird, langsam durch den Mund ausatmet. Dieses Prozedere wiederholt man mindestens fünfmal. Bis dann sollten die Symptome schon merklich abgeklungen sein.
Mindfuck stoppen & Vertrauen lernen
Während wir “Grübeln“ und in Sorgen festhängen, malen wir gerne uns schreckliche Szenen aus und nehmen uns davor in Acht. Wenn wir dann im realen Leben darin eintauchen, machen wir allerdings oft genau die konträre Erfahrung bei der so ziemlich das Gegenteil eintrifft, von dem was wir befürchtet hatten. Und selbst dann, wenn wir etwas “Schlimmes“ erleben, ist es oft so bedeutsam, dass wir es im Rückblick gar nicht missen möchten. Gerade durch schwierige Situationen werden wir häufig reich beschenkt, indem wir dazu lernen dürfen. Dort wo potenziell etwas schief gehen kann steckt stets viel Erlebnisgehalt. Dies allein sollte eigentlich schon genug Anlass sein den Mindfuck zu stoppen und einfach auf das Leben zu vertrauen. Erinnern Sie sich an vergleichbare Situationen in denen Sie schon erfolgreich waren und schicken Sie sich einfach hinein. Everything is possible. Allways!
Paradoxe Intention
Die Logotherapie nach Viktor E. Frankl geht in ihrem Therapieansatz davon aus, dass da, wo Menschen unter Zwängen leiden und davon beherrscht werden, sich diese in dem Moment verabschieden, wo sie willentlich versucht werden herbeizuführen. Einem Bewerber, der bsp. unter der Angst leidet während des Vorstellungsgespräches übermässigen Achselschweiss zu produzieren, dem würde wahrscheinlich geraten: Er möge sich doch einmal vornehmen, den Recruiting Mitarbeitern zu demonstrieren, wie tüchtig er schwitzen kann.“ Sie sehen wie skurril dies ist und wahrscheinlich wäre das Unterfangen genau deshalb zum Scheitern verurteilt.
Trick 77: Offenbaren Sie sich
Wenn Sie zu der Sorte Leute gehören denen vor unausweichlichen Bewährungsproben das Herz pocht, die Beine zu Pudding werden, der Hals zuschnürt und der Atem stockt, ist ein bewährtes Mittel die Angst anzusprechen. Denn was will Ihnen der Personalchef noch nehmen, wenn Sie einfach nur ehrlich sind? Gar nichts. Das wäre pervers. Nur Psychopathen nehmen Ihnen die letzte Würde und treten auf Ihren Mankos herum. Ansonsten kann sich niemand daran ergötzen. Nicht selten wird sich die Angst just in dem Moment in Luft auflösen, wo sie offen kommuniziert wird. Parallel dazu wächst Ihr Selbstvertrauen. Zur Angst zu stehen ist keine Schwäche, sondern eine Stärke! Warum also kaschieren?
Wenn gar nichts mehr geht: Betablocker
Es dürfte einleuchtend sein, dass eine Vermeidungstaktik bei Vorstellungsgesprächen eine gänzlich schlechte Taktik ist. Doch was tun, wenn alle obgenannten Tipps und Tricks versagen und Sie noch immer zu Fluchtreflexen neigen? Sich auf Biegen und Brechen dem Risiko auszusetzen übermannt zu werden, nur um nicht als Drückeberger zu gelten ist sicherlich auch nicht die Lösung. Kurzfristig kann daher unter Umständen eine medikamentöse Behandlung Abhilfe schaffen. Wir möchten Sie zwar weder zum Medikamentenkonsum- noch –missbrauch animieren, aber punktuell eingesetzt können bsp. Betablocker durchaus Sinn machen. Betablocker ist die Pille gegen Lampenfieber schlechthin. Bei gesunden Menschen senken sie den Blutdruck und hemmen die Wirkung der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin. Aus unserer Sicht ist dies die Ultima Ratio. Lassen Sie sich aber in jedem Fall von Ihrem Arzt beraten und hüten Sie sich davor ohne Rezept im Internet irgendwelche Präparate zu bestellen.
Exkurs: Ängste im Wandel
Aufgrund der zivilisatorischen Entwicklung haben sich die Gefahrenquellen anders gelagert, sodass sich heutzutage in unseren Breitengraden niemand mehr um wild herumlaufenden Bären oder um Blitzeinschläge schert. Die Bären sind ausgerottet, ein Auto ist ein faradayscher Käfig und alle unsere Häuser verfügen über Blitzableiter, also kein Grund zur Sorge! Doch obschon obgenannte Gefahrenquellen eliminiert wurden existieren Ängste fort. Und wie! Statistikämter erstellen sporadisch sogenannte Angst- und Sorgenbarometer. Das auffällige daran ist, dass sie jeweils stark mit der Berichterstattung der Medien korrelieren. Kaum passiert irgendwo ein Unglück mit grossem medialem Echo grassiert die Angst in der Bevölkerung. Ganz unabhängig davon welche Sau gerade durchs Dorf gejagt wird, sobald die Presse schürt ist das Thema gesellschaftlich auf einen Schlag omnipräsent. Dass die Menschen mit den Headlines gezielt gecatcht und eingeschüchtert werden ist den Redaktionen so ziemlich gleichgültig. Die Zeiten der “vierten Gewalt“ im Staat sind lange vorbei. Das Primäre was die Presseorgane interessiert sind Einschaltquoten und Verkaufszahlen. Seit der Journalismus durch das Internet Konkurrenz erhalten hat buhlen sie regelrecht um Aufmerksamkeit. Und dafür eignen sich nun mal negative Schlagzeilen besser als positive. Spektakuläre Ereignisse werden bewusst überspitzt, dass sie an Dramatik kaum zu überbieten sind. Die ständigen Katastrophenszenarien, die entglittene Deutungshoheit und die Viralität von sozialen Dynamiken, verleiten Betrachter in ihrem voyeuristischen Gruseln vermehrt zu übereilten Schlüssen und oft sehr irrationalen Ängsten. Wie sonst erklärt sich, dass sich die meisten Menschen vor Flugzeugabstürzen im Vergleich zu Autounfällen mehr fürchten, obwohl weit mehr Leute auf den Strassen sterben?
Exkurs: Die Urängste des Menschen
Wenn man die Essenz des Menschen substanziell herunterbricht gibt es eigentlich genau zwei Dinge die ein Mensch verfolgt: 1. Überleben und 2. Fortpflanzung. Und genau darauf bauen auch die beiden Urängste des Menschen auf. Einerseits ist dies die Todesangst, anderseits die Angst vor Minderwertigkeit bzw. Ausgeschlossen werden von der Gruppe. Wobei letztere im Endeffekt ebenfalls in der Angst vor der eigenen Vergänglichkeit münden, wenn wir es zu Ende denken.
Klammert man ihrerseits die Angst vor körperlichen Unversehrtheit und Tod aus, lassen sich wiederum fast alle anderen Ängste auf die Angst vor Minderwertigkeit bzw. Ausgeschlossenheit von der Gruppe reduzieren. Eine Angst die sehr tief sitzen muss, wenn man bedenkt, dass die Angst eine Öffentliche Rede zu halten im Durchschnitt doppelt so ausgeprägt ist, wie die Angst vor Krankheit oder Tod. Wenn alle “Scheinwerfer“ auf einen gerichtet sind berichten Betroffene nicht selten, dass sie am liebsten “im Boden versinken“ würden. So stark ist die Angst. Doch woher rührt das?
Nun gut, der Mensch ist ein soziales Wesen und gewissermassen ein “Rudeltier“. Das war zu Urzeiten so und ist es auch heute noch - Individualgesellschaft hin oder her! Die Tendenz zur Gruppenbildung ist evolutionär bedingt, denn die Gemeinschaft fördert den sozialen Austausch und hilft uns dabei in der Welt zurecht zu kommen. Von einer Gruppe verstossen zu werden hatte beim Steinzeitmenschen arge Konsequenzen. Die Paarungspartnersuche war eingeschränkt und das das Finden von Nahrung ebenso, weil das Jagen in der Gruppe wegfiel. Aufgrund der stammesgeschichtlichen Hintergründe ist die Angst vor Minderwertigkeit daher sehr tief in der Psyche des Menschen verankert. Ausgeschlossen zu werden aus einer Gruppe ist mitunter das Schlimmste was einem Menschen widerfahren kann!
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