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Der erste Eindruck einer Bewerbung


Lachende Frau beim Beantworten eines Fragebogens

Es ist mittlerweile zur Binsenweisheit geworden, dass es genau eine Chance für einen ersten Eindruck gibt. In diesem Zusammenhang sind vor allem der Primacy-Effekt und der Pygmalion-Effekt interessant. Wenn man die psychologischen Mechanismen dahinter versteht, kann man sie im Zuge der Bewerbung deutlich wirksamer für sich nutzen.


Der Primacy-Effekt (Primäreffekt)

Der Primacy-Effekt besagt, dass früher aufgenommene Informationen besser erinnert werden können, als später eingehende. Zur Verdeutlichung eignet sich ein mittlerweile fast schon klassisches Experiment aus dem Jahr 1946: Darin wurden Probanden gebeten die Charaktereigenschaften einer Person X als positiv oder negativ zu beurteilen. Dafür wurde ihnen eine Liste mit den Eigenschaftswörtern „intelligent, fleissig, impulsiv, kritisch, dickköpfig, neidisch“ ausgehändigt. Demgegenüber wurde die Kontrollgruppe gebeten die Charaktereigenschaften einer Person Y als positiv oder negativ zu bewerten. Hierfür wurde ihnen eine Liste mit den Eigenschaftswörtern „neidisch, dickköpfig, kritisch, impulsiv, fleissig, intelligent“ vorgelegt. Als scharfsinniger Leser dürfte Ihnen sicherlich nicht entgangen sein, dass die beiden Aufstellungen ein und dieselben Adjektive beinhalten und der einzige Unterschied in der Anordnung der Wörter besteht. Im Experiment wurde Person X und Person Y dennoch völlig anders wahrgenommen. Je nachdem, welche Liste die Probanden zu Gesicht bekamen wurde X typischerweise als kompetent, Y dagegen tendenziell als problematisch bewertet.


Sinngemäss kann der Primäreffekt auch bei der Beurteilung von Bewerbungskandidaten aufblitzen. Ist ein Personaler bsp. zur Erkenntnis gelangt, dass ein Bewerber „grosskotzig“ wirkt, kann dies mitunter fatale Auswirkungen auf nachgelagerte Vorstellungsgespräche, Assessments etc. haben. Unabhängig davon, ob sich der Bewerber in der Folge etwa als altruistisch und aufopfernd zeigt, wird ein solches Verhalten nicht automatisch zur differenzierten Betrachtung der ursprünglichen Ersteinschätzung hinzugesellt, sondern womöglich als heuchlischer Versuch, um anschliessend noch mehr prahlen zu können, gewertet. Solch tückische Beurteilungsfehler treten übrigens auch im Rahmen von bei Persönlichkeitstests und Talentprofilen auf, wenn auf den vorausgegangenen Fragen bzw. Antworten aufgebaut wird.


Es gibt allerdings auch den umgekehrten Fall mit nicht minderschweren Auswirkungen. Nehmen wir das Beispiel eines Bewerbers, von dem der Personalchef grosse Stücke hält, weil er ihn im ersten Augenblick als “äusserst klug“ eingeschätzt hatte. Gehen wir ferner davon aus der Kandidat kommt eine Runde weiter im Rekrutierungsprozess und im zweiten Vorstellungsgespräch verblüfft besagter Bewerber den Personaler mit einer von Dummheit zeugenden Aussage. In diesem Setting wird das Ersturteil des Bewerbers nicht einfach verworfen, sondern es wird vielmehr nach einer plausiblen Erklärung für die merkwürdige Äusserung gesucht. Bsp. „der Mann hat wohl schlecht geschlafen“, „war geistesabwesend“, „nervös“ etc.. Verrückt, aber wahr! Es muss schon einiges geschehen, bis das Standing des Kandidaten grundlegend in Frage gestellt und von der gefassten Meinung abgerückt bzw. das Urteil revidiert wird.


Pygmalion-Effekt

Der Pygmalion-Effekt fusst auf einem Experiment von Robert Rosenthal und Lenore F. Jacobson. Darin wurde nachgewiesen, dass ein Lehrer, welcher einigen Schülern besondere Begabung suggerierte, diese unbewusst dahingehend förderte, dass sich am Ende die Leistungen seiner Schützlinge auch tatsächlich steigerten. Eine vorweggenommene Einschätzung ist also offenbar in der Lage derart starken Einfluss auf die Leistungen auszuüben, dass sie sich bestätigt.


Im Kontext von Bewerbungen bilden sich Personalverantwortliche in der Regel ein erstes Urteil bereits vor dem Vorstellungsgespräch anhand der eingereichten Unterlagen. Diese Vorabinformationen können für einen Bewerber äusserst günstig ausfallen, weil bsp. die Qualität des Bewerbungsdossiers oder subtil “gesteckte“ Kompetenzen eine Erwartungshaltung wecken und damit eine selbsterfüllende Prophezeiung auslösen. Denn ein Rekrutierungsmitarbeiter hat, sofern er sich im Vorspann über den Bewerber eine positive Meinung gebildet hat, im Vorstellungsgespräch unbewusst die Neigung, sich sein Urteil bestätigen zu lassen. De facto unterscheiden sich nach 30 Sekunden gefällte Urteile über Bewerber von nach 3 Stunden gebildeten Meinungen selbst dann nur unwesentlich, wenn sich in diesen 179,5 Minuten völlig neue Informationen herauskristallisierten. Es fällt einem vielleicht schwer zu glauben, aber das Einschätzungsvermögen eines Human Resources Experten ist genauso inakkurat wie die Menschenkenntnisse der Meisten da draussen.

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